29.05.2012
Nicht nur im Bezirk Bodensee hat der „Fall FC Rot-Weiß Salem“ hohe Wellen geschlagen. Insbesondere nachdem das Landgericht Freiburg am 15. Mai 2012 geurteilt hat, dass die Urteile der Verbandsgerichte aufgehoben werden und der FC Rot-Weiß Salem die zuvor „am grünen Tisch“ aberkannten Punkte zurück erhält. Zwar ist die erstinstanzliche Entscheidung noch nicht rechtskräftig, ein Paukenschlag ist das Urteil aber allemal.
Dabei ist im Gespräch mit Fußballinteressierten und durch die Beiträge in der Presse immer wieder der Eindruck zu gewinnen, in der Sache ginge es um die fehlende Unterschrift unter den Pass des Spielers Julian W. und die damit einhergehende Spiel- bzw. Einsatzberechtigung des Spielers gemäß § 47 Spielordnung des SBFV (SpO). Tatsächlich kommt es für das Gericht auf diese Frage gar nicht an. Das Gericht lässt den Punktabzug bereits an formellen Gesichtspunkten, konkret der Einspruchsfrist gegen Spielwertungen, scheitern.
Um diese durchaus auch für gewiefte Juristen schwierige Problem zu begreifen, muss man sich den „Fall FC Rot-Weiß-Salem“ und anschließend die Rechts- und Verfahrensordnung (RuVO) des SBFV einmal genau anschauen. Entscheidend ist hier, wann was passiert ist.
Beim Spiel des FC Rot-Weiß Salem am 19. November 2011 fiel es dem Schiedsrichter erstmals auf, dass der Pass des Spielers W. keine Unterschrift trägt. In sechs vorangegangenen Partien war dies den Schiedsrichtern nicht aufgefallen. Die letzte der sechs Partien fand am 13. November 2011 statt. Am 27. November 2011 legte die spielleitende Behörde des Bezirks Bodensee gegen die Wertung der sechs Spiele, in denen der FC Rot-Weiß 13 Punkte einsammelte, Einspruch ein. Durch die Sportgerichte des SBFV wurden den Salemern in beiden Instanzen die Punkte aberkannt. Hiergegen erhob Salem Klage zum Landgericht Freiburg.
Für das Gericht stellt sich in seiner Entscheidung nun die Frage, ob der am 27. November 2011, also zwei Wochen nach der letzten Partie eingelegte Einspruch der spielleitenden Behörde rechtzeitig im Sinne der RuVO eingelegt worden ist.
Der SBFV ist der Auffassung, dies ist der Fall. Der SBFV verweist auf § 10 Ziff. 4 RuVO. Dort heißt es: „Spielt ein Spieler ohne Spiel- oder Einsatzberechtigung, so kann die Spielwertung für die Spiele, die mehr als neun Monate nach Einleitung des Verfahrens zurückliegen, nicht mehr geändert werden.“ Auf den ersten Blick könnte man nun annehmen, die Spielleitende Behörde könnte sich maximal neun Monate mit dem Einspruch gegen die Spielwertung Zeit lassen. In diesem Fall wäre der Einspruch am 27. November 2011 rechtzeitig erfolgt.
Weit gefehlt, meint das Landgericht Freiburg, und weist auf die § 14 und §15 RuVO hin. Gemäß § 15 Ziff. 4 RuVO kann auch die spielleitende Behörde Einspruch gegen die Wertung eines Spiels einlegen, falls ein nicht spiel- oder einsatzberechtigter Spieler teilgenommen hat (§ 15 Ziff. 2a RuVO). Dies ist hier geschehen. Gemäß der Rechtsaufassung des Landgerichts Freiburg gelten aber für die spielleitende Behörde die gleichen Form- und Fristerfordernisse für den Einspruch, wie für die Vereine, denen ebenfalls ein Einspruchsrecht zusteht (§ 15 Ziff. 1 RuVO).
Danach muss ein Einspruch gemäß § 15 Ziff. 3 RuVO:
- Beim Vorsitzenden des Sportgerichts (§ 15 Ziff. 3 RuVO),
- Schriftlich innerhalb von 7 Tagen eingelegt werden (§ 15 Ziff. 3 i.V.m. § 14 Ziff. 2 RuVO).
Damit wäre der Einspruch am 27. November 2011 verspätet, da alle monierten Spiele zu diesem Zeitpunkt schon mehr als sieben Tage zurücklagen.
Aber welche Frist gilt jetzt – neun Monate oder sieben Tage? Jetzt wird’s juristisch, wenn das Landgericht Freiburg ausführt: „Die Einspruchsfrist gegen die Wertung eines Spieles beträgt auch für die ‚spielleitende Stelle‘ sieben Tage. Sie beginnt mit dem Tag nach dem Spiel. Dies folgt aus § 15 Ziff. 3 und Ziff. 4 in Verbindung mit § 14 Ziff. 2 RuVO.“
§ 10 Ziff. 4 RuVO hingegen sei ein Rückwirkungsverbot im Rahmen der Verjährung und finde auf die Einspruchsfrist keine Anwendung. Das bedeutet, mit der Bearbeitung einer Spielwertung darf sich der SBFV nicht mehr als neun Monate Zeit lassen.
Oder anders ausgedrückt: Die spielleitende Behörde hat wie die Vereine sieben Tage Zeit, Einspruch gegen eine Spielwertung einzulegen. Ist das geschehen, hat die Sportgerichtsbarkeit maximal neun Monate Zeit ein Urteil zu fällen!
Punkt 2 stellt in der Praxis kein Problem dar. Ein sportgerichtliches Urteil ist normalerweise spätestens zwei bis drei Wochen nach dem Spiel erstellt. Punkt 1 ist allerdings äußerst brisant: Die Einspruchsfrist von einer Woche bedeutet, dass die Verbandsmitarbeiter, hier vor allem Schiedsrichter und Staffelleiter hellwach sein und Verstöße sofort melden müssen, da sonst die Einspruchsfrist verstreicht!
Soll diese Problematik entschärft werden, so gibt es nur zwei Möglichkeiten der SBFV setzt sich vor den Gerichten durch oder die Satzung wird hinsichtlich der Einspruchsfristen geändert.
Jens Weimer
Der Autor ist Rechtsanwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt u.a. im Sport- und Vereinsrecht, sowie Juniorensportrichter im Bezirk Bodensee beim SBFV