Vereine aus dem Bezirk Bodensee nehmen Flüchtlinge auf – In der kommenden Saison sollen sie aktiv mitspielen
von Jürgen Rössler (Text und Foto) / Quelle: SÜDKURIER
„Mit Fußball, weltweit der Sport Nummer 1, fällt die Integration einfach leichter!“, weiß Uwe Baumann, 1. Vorsitzender bei der SG Dettingen-Dingelsdorf, und daher wird beim Fußballclub auf dem Bodanrück das Engagement für Flüchtlinge groß geschrieben. Recht schnell hatte sich der Fußballplatz zum Anziehungspunkt für die Kinder und Jugendlichen, die in der umgebauten Tennishalle untergebracht sind, entwickelt und daher musste sich der Verein überlegen, wie er mit der neuen Situation umgeht. Joachim Görig nahm sich der Sache an, sammelte zunächst Sachspenden, etwa Fußballschuhe, um die jungen Fußballer auszurüsten. Zudem stellt Görig den Kontakt zu den Unterkünften her, damit die Maßnahmen mit den Sozialarbeitern vor Ort abgesprochen werden konnten. Und nach und nach kam Struktur in den Integrationsprozess, wurden die jungen, fußballbegeisterten Flüchtlinge in die Jugendmannschaften integriert. Denn eine eigene Flüchtlings-Trainingsgruppe, das war den Verantwortlichen früh klar, wollte man nicht, denn das hätte kaum zur Integration beigetragen.
„Wir sind im Jugendbereich breit gefächert und werden maximal fünf Flüchtlinge in ein Team einbauen!“, erläutert Baumann das Konzept, um echte Integration zu erzielen und eine Art sportliche Parallelgesellschaft zu verhindern. Dies führte auch dazu, vereinzelt geäußerte Bedenken der Eltern zu zerstreuen.
Seit Anfang 2016 läuft das SG-Integrationsprogramm nun schon und in der Saison 2016/17 sollen die neuen Mitglieder dann auch aktiv im Spielbetrieb mitmischen. Normalerweise erfordert dies eine Anfrage beim Heimatverband, doch falle diese jetzt, so erläutert der Vorsitzende des Fußballbezirks Bodensee, Konrad Matheis, unterhalb der C-Jugend weg, da diese Anfragen in den Herkunftsländern schon zu Benachteiligungen der noch dort lebenden Familienangehörigen geführt hätten.
Die Nachwuchsarbeit mit den neuen Gästen, die größtenteils aus Syrien und Afghanistan kommen, gehe, so Baumann, weit über Fußball hinaus, denn es gehe auch darum, Abläufe und Regeln, die hierzulande im Fußball, aber auch in der Gesellschaft üblich sind, zu vermitteln. „Sie sind alle sehr willig, wollen lernen, aber das geht eben nicht von heute auf morgen!“, hat Baumann seine Erfahrungen gemacht und Görig, sozusagen der Integrationsbeauftragte der SG, ergänzt: „Natürlich macht das Arbeit, aber insgesamt hatte ich es mir schwieriger vorgestellt. Wir hören über die Sozialarbeiter ab und zu von Problemen der Kinder und Jugendlichen in der Schule, hier im Verein läuft das aber recht rund, vielleicht auch, weil der Sport eben auch dem Aggressionsabbau dient!“ Ärger und Streit gebe es, da sind sich Baumann und Görig einig, nicht mehr oder weniger als mit „normalen“ Nachwuchsspielern. Das einzige „flüchtlingsspezifische“ Problem sieht Görig in der hohen Fluktuation: „Wir wissen nicht, wie lange sie hier sind.“ Denn ein Verbleib in Dettingen ist ja auch vom Verlauf des Asylverfahrens abhängig. So kommt es auch, dass bei der SG zwischen 15 und 30 junge Flüchtlinge Fußball spielen.
„Es wird in den Vereinen schon viel Integrationsarbeit betrieben, denn mit Sport kann man hier sehr viel erreichen!“, unterstreicht Matheis in integrative Bedeutung von Sport und Spiel und er betont: „Aber das hier in Dettingen ist schon eine größere Aktion!“ Und als Belohnung hat er einen Scheck über 500 Euro mitgebracht, mit der die Egidius-Braun-Stiftung des DFB und die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration im Rahmen der Initiative „1:0 für ein Willkommen!“ solche Aktionen unterstützen. Sieben Vereine hat Matheis schon mit einem Scheck besucht, zwei weitere stehen in den nächsten Tagen auf seinem Programm, doch er hofft auch: „Vielleicht springen noch weitere Vereine auf. Im Bezirk Schwarzwald etwa wurden bis März schon 16 Clubs belohnt.“ Und ergänzend zu den 500 Euro erhalten die Clubs auch Unterstützung vom Badischen Sportbund, der pro Monat und Flüchtling die Arbeit mit 10 Euro bezuschusst.
Doch Baumanns Hoffnung geht noch einen Schritt weiter: „Das ein oder andere Talent ist schon auch dabei!“ Vielleicht erzielt ja bald ein junger Syrer Tore für die SG-Landesligaelf. Das wäre dann wohl ein weiterer Integrationsschritt.
Ausgezeichnete Vereine
Neben der SG Dettingen-Dingelsdorf wurden folgende Clubs aus dem Bezirk Bodensee für ihre Integrationsarbeit von der Egidius-Braun-Stiftung des DFB und der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration mit je 500 Euro unterstützt: SV Markelfingen, HSK Croatia Singen, ESV Südstern Singen, DJK Konstanz, SC Wahlwies, BSV Nordstern Radolfzell. Zwei weitere folgen.
Zum Bild: Anerkennung für geleistete Integrationsarbeit! Der Vorsitzende des Fußballbezirks Bodensee, Konrad Matheis (Mitte, rechts), überreicht dem Vorsitzenden der SG Dettingen-Dingelsdorf, Uwe Baumann (Mitte links), einen Scheck über 500 Euro. Ohne das Engagement des SG-Integrationsbeauftragten Joachim Görig (Vierter von links) wäre dieses Projekt aber nicht möglich gewesen.