Schiedsrichter – eine aussterbende Art?
In der Zeit vom 12. bis 27. Januar 2018 (dreimal Freitagabend, dreimal Samstag ganztags) führt die SR-Vereinigung Bodensee einen Lehrgang für Schiedsrichter-Anwärter im Nellenburg-Gymnasium Stockach durch. Anmeldungen sind ab sofort möglich; das Anmeldeformular sowie die Ausschreibung kann von der Homepage des Südbadischen Fußballverbandes heruntergeladen werden. Zu richten sind die Anmeldungen an Bezirkslehrwart Pasquale Vicedomini (vicedominipasquale@gmail.com), der unter der Mobilnummer 0173-9954171 auch für Anfragen zur Verfügung steht. Per Telefax können Anmeldungen an die Faxnummer 07733/977710 eingereicht werden.
Eigentlich hört sich die Ausschreibung erst mal recht undramatisch an: „Nachwuchs gesucht“. Tatsächlich aber ist es so, dass die Zahl der Spiele, zu deren Leitung kein offizieller Schiedsrichter kommt, ständig steigt. Und genau darauf haben die Verantwortlichen die Vereine inzwischen hingewiesen: „Wer es jetzt noch nicht kapiert hat, der steht morgen vielleicht selbst als Spielleiter auf dem Platz, um Begegnungen seines Vereins mit der Pfeife im Mund zu dirigieren.“ Dabei zeigt man sich „verständnisvoll“ für die Beweggründe der Vereine, kann selbige aber kaum akzeptieren. „Ich habe lange genug für ‚meinen‘ Verein die Knochen hingehalten, da muss ich mir das jetzt nicht auch noch antun.“ „Ich habe Eintritt bezahlt, dann kann ich so lange schreien, wie ich will.“ „Spitzenreiter“ kurzsichtiger Argumentation ist das häufig verwendete „Was sollen wir als Verein noch alles machen? Es ist Sache des Verbands, uns Schiedsrichter zu den Spielen zu schicken.“ Nur, wer ist das denn eigentlich, ‚der Verband‘?
Die Schiedsrichtervereinigung Bodensee, die ja lange als eine kleine „Oase“ in der Schiedsrichterei gelten konnte, hatte dem vergeblichen „S.O.S.“-Funken Eigenrettung folgen lassen – inzwischen wurde die Zahl der Staffeln, die mit offiziellen Unparteiischen besetzt werden, deutlich reduziert. Es gibt wenig, was man den Vereinen heute schon versprechen kann, eines aber ganz sicher: die Reduzierung wird weitergehen und dann wohl auch die Aktiven betreffen.
Man sollte die Gründe des Schiedsrichtermangels nicht allein mit dem gängigen Schlagwort des geänderten Freizeitverhaltens übertünchen. Sicherlich ist das ein ganz wichtiger Aspekt, aber bei weitem nicht der einzige. So dürfte ein Hauptgrund für die fehlende Bereitschaft, sich Woche für Woche als Schiedsrichter auf den Spielfeldern zu präsentieren, im fast schon feindseligen Verhalten zu suchen sein, das ihnen oftmals entgegenschlägt. Hier muss endlich ein Umdenken in den Clubs erfolgen, denn nicht immer sind die Spieler das auslösende Moment. Zuschauer, Trainer und Offizielle fühlen sich genauso animiert, zum Wohle ihres Vereins“ den Schiedsrichter unfair anzugehen.
Die Folge ist unter anderem, dass allein in der letzten Saison die Zahl der aktiven Schiedsrichter um etwa zehn Prozent zurückgegangen ist. Für den Schiedsrichter-Einteiler des Bezirks bedeutet dies, dass ihm pro Wochenende im Schnitt keine 200 Schiedsrichter mehr zur Verfügung stehen, um über das Jahr gesehen an die 8.000 Spiele und Turniere zu übernehmen. Inzwischen ist es soweit, dass regelmäßig Schiedsrichter pro Tag gleich zwei Spiele übernehmen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen.
Jeder Verein muss seiner Spielklasse und Mannschaftszahl entsprechend eine gewisse Anzahl von Schiedsrichtern im Einsatz haben, andernfalls wird eine Ausfallgebühr fällig, zu bezahlen an den SBFV. Gerade eben kam die Berechnung für die Saison 2016/2017 bei den Vereinen an mit erschreckenden Zahlen: 45 Vereine des Bezirks Bodensee müssen über 34.000 Euro für fehlende Schiedsrichter überweisen, 20 Vereine bekommen 5.400 Euro dafür ausbezahlt, dass sie mehr Schiris haben, als sie haben müssten. In anderen Verbänden gibt es drastischere Methoden wie etwa den Zwangsabstieg oder gar Ausschluss von Mannschaften. Dies allerdings kann niemand als Wunschziel ansehen.
So wenig aber Geld Tore schießen kann, so wenig kann Geld Spiele leiten – was bedeuten soll, dass es besser wäre, wenn die Vereine sich intensiver um die Gewinnung von Nachwuchs für die Referees kümmern würden. Dass dies nicht einfach ist und man keinesfalls offene Türen bei der Werbung einrennt, das ist jeden klar. Eine Alternative gibt es aber nicht – inzwischen bleibt nur noch das „entweder ... oder“. Und so schließen die Verantwortlichen des Schiedsrichterwesens mit einem aufmunternden Appell ihren Aufruf: „Schiedsrichter sein macht (meist) Spaß und es ist ein Hobby, mit dem man Fußball hautnah gestalten kann – man muss sich nur trauen. Packen Sie’s an!“